
Lionel Birrer
- ist im Jahr 2008 geboren
- hat 2 Geschwister, mit dem jüngeren lebt er bei der Mutter
- spricht zu Hause Schweizerdeutsch
- macht in seiner Freizeit Judo, geht schiessen und besitzt ein Moped
- hat eine Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS) sowie eine Cerebralparese (CP), vermutet wird ausserdem eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS)
- wechselt mit 13 Jahren auf das 2. Semester der 7. Klasse an eine Regelschule: Das war im Schuljahr 2021/22
- ist zum Gesprächszeitpunkt 15 Jahre alt und startet nach den Sommerferien 2023 in die 9. Klasse
Übersicht über das Portrait
Was weiss man über den Kanton?
Die Bedingungen für eine Reintegration im Kanton Bern werden erklärt.
Zu den Informationen über den Kanton BernWer war an der Reintegration beteiligt?
Die beteiligten Personen werden vorgestellt.
Zu den PersonenWie gestaltete sich der Prozess der Reintegration?
Der Reintegrationsprozess wird beschrieben.
Zum ProzessWie war der zeitliche Ablauf der Reintegration?
Die zeitliche Abfolge der Reintegration wird aufgezeigt.
Zum zeitlichen AblaufWas hat die Reintegration unterstützt oder erschwert?
Gelingensbedingungen und Barrieren bei Reintegrationen werden beschrieben.
Zu den Gelingensbedingungen und BarrierenInformationen über die Gesprächspartner*innen

Theresa Birrer
- ist Lionels Mutter
- ist gelernte Hotelfachassistentin und arbeitet im Verkauf
- lebt seit 2017 getrennt von Lionels Vater. Auf die Trennung erfolgte eine Begleitung durch die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörte (KESB). Die KESB unterstützt Kinder und Erwachsene in schwierigen Lebenssituationen.

Julius Fritsche
- ist ausgebildeter Sekundarlehrer
- übernimmt die Lektionen der integrativen Förderung (IF) und das Bildnerische Gestalten an Lionels 7. und 8. Klasse
- ist seit 10 Jahren als Lehrperson auf der Sekundarstufe tätig
- wechselt auf das Schuljahr 2023/2024 die Schule, folglich erhält Lionel eine neue IF-Lehrperson

Tina Kristobal
- ist ausgebildete Lehrperson
- teil sich die Funktion der Klassenlehrerin mit Marta Medved
- begleitet Lionel seit der Reintegration in die 7. Klasse und bleibt bis zur 9. Klasse seine Lehrerin
- hat zum Zeitpunkt der Reintegration 19 Jahre Berufserfahrung
- unterrichtet Lionel während 12 Lektionen pro Woche

Marta Medved
- ist ausgebildete Sekundarlehrperson
- teil sich die Funktion der Klassenlehrerin mit Tina Kristobal
- Begleitet Lionel seit der Reintegration in die 7. Klasse und bleibt bis zur 9. Klasse seine Lehrerin
- hat zum Zeitpunkt der Reintegration 8 Jahre Berufserfahrung
- unterrichtet Lionel während 12 Lektionen pro Woche

Ylena Zumstein
- ist zum Gesprächszeitpunkt als Schulleitung tätig
- teilte sich die Funktion der Klassenlehrperson mit Simon Gerber
- war die schulische Heilpädagogin der Sonderschule zu Beginn der 7. Klasse
- schliesst die Ausbildung zur schulischen Heilpädagogin in einem Jahr ab
- hat zum Zeitpunkt der Reintegration 3 Jahre Berufserfahrung als Heilpädagogin
- unterrichtete Lionel während 21 Wochenlektionen

Simon Gerber
- war der schulische Heilpädagoge der Sonderschule zu Beginn der 7. Klasse
- teilte sich die Funktion der Klassenlehrperson mit Ylena Zumstein
- hat zum Zeitpunkt der Reintegration 1 Jahr Berufserfahrung als Heilpädagoge
- unterrichtete Lionel während 21 Wochenlektionen
- begleitete Lionel in der Übergangsphase mit 14 Wochenlektionen in die Regelschule
Aufteilung der Gespräche
Es fanden drei Gespräche im Sommer 2023 statt. Besprochen wurde die Reintegration von Lionel:
- Gespräch 13: Frau Zumstein und Herr Gerber
- Gespräch 14: Lionel, Frau Birrer und Herr Fritsche
- Gespräch 15: Frau Kristobal und Frau Medved
Der Reintegrationsprozess von Lionel
Lionel besuchte eine Spielgruppe.
Er hatte Schwierigkeiten beim Sprechen.
Lionel bekam Unterstützung von einer Heilpädagogin.
Die Heilpädagogin ging zur Familie nach Hause. Man nennt das heilpädagogische Früherziehung.
Danach wechselte Lionel für zwei Jahre einen Sprachheilkindergarten.
Ein Kindergarten, der für Kinder mit Schwierigkeiten beim Sprechen ausgerichtet ist.
Lionel machte in diesen beiden Jahren grosse Fortschritte.
Er wechselte daraufhin an eine Regelschule.
Dort besuchte er die 1. Klasse in einer Kleinklasse.
In der kleinen Gruppe konnte Lionel besser begleitet werden.
Denn Lionel hat auch eine Aufmerksamkeits-Hyperaktivitäts-Störung (ADHS).
Das heisst, er ist manchmal unruhig und impulsiv.
«Das mit dem ADHS ist schon ein wenig schwierig gewesen. Da haben wir für Lionel eine Kleinklasse gesucht.»
Nach einem Jahr wurde die Kleinklasse aufgelöst.
Lionel wechselte dann an eine Sonderschule.
Er besuchte von der 2. bis zur 5. Klasse die Sonderschule.
Diese Sonderschule im Sonderschulheim1 hatte auch ein Wohnheim.
Dort verbrachte Lionel jede Woche zwei Nächte.
Lionel hatte in der 5. Klasse gute bis sehr gute Leistungen.
Lionel sollte die Sonderschule im Sonderschulheim1 nach der 5. Klasse verlassen.
Der Wechsel an eine Regelschulklasse wurde diskutiert, wurde aber doch nicht umgesetzt.
Zwischen Lionels Eltern gab es einen Vorfall.
Das war nicht einfach für die Familie.
Danach gab es eine Familienbegleitung durch die KESB.
Die KESB unterstützt Kinder und Erwachsene in schwierigen Lebenssituationen.
Das heisst, die Familie hatte dann eine Beiständin, die sie unterstützte.
Die Eltern trennten sich.
Zur gleichen Zeit wird für Lionel kein Platz an einer anderen Schule gefunden.
Die Beiständin setzte die Familie unter Druck: Lionel musste an ein Kinderheim bzw. ein Internat wechseln.
Sonst wäre der Mutter das Sorgerecht für Lionel entzogen worden.
Lionels Mutter war nicht einverstanden mit diesem Entscheid.
Aber sie willigte ein.
«Und ich habe gesagt: ‹aber ich schaue, dass mein Sohn so schnell wie möglich aus dem Kinderheim rauskommt›.»
Lionel wechselte somit für die 6. Klasse an das Sonderschulheim2.
Dieses Jahr war sehr schwierig für Lionel und seine Mutter.
Lionel ging es dieser Zeit psychisch nicht gut.
Seine Mutter setzte alles daran, dass er das Heim verlassen konnte.
Auch Lionel hatte noch immer den Wunsch, an die Regelschule zu wechseln.
Nach einem Jahr konnte Lionel das Kinderheim verlassen.
Seine Mutter hatte den Wechsel beantragt.
Lionel wechselte ans Sonderschulheim 3 im Kanton Bern.
Dieses Sonderschulheim war offener gegenüber Reintegrationen.
Deshalb wählte Lionels Mutter dieses Heim aus.
Lionel wechselte auf die 7. Klasse ans neue Sonderschulheim 3.
Er wohnte auf einer Wohngruppe.
Lionel hatte einen guten Start an der neuen Schule.
«Er ist sehr gut gestartet. Wir haben auch gesehen, dass er sehr vorsichtig ist im Kontakt mit seinen Mitschülerinnen. Und er brauchte eine gewisse Zeit, bis er auftaute.»
Zu diesem Zeitpunkt war klar: Lionel hat eine Autismus-Spektrum-Störung (ASS).
Lionel war anfangs schüchtern.
Diese Schüchternheit legte er immer mehr ab.
Er traute sich zum Beispiel auch, andere Kinder anzusprechen.
Er erreichte sehr gute Leistungen in der Sonderschule.
Lionel verbrachte dann nur noch zwei Nächte pro Woche im Heim.
Die restlichen Nächte war er daheim bei seiner Mutter.
Wenige Wochen an der Sonderschulheim 3 waren vergangen:
Seine beiden Lehrpersonen, Frau Zumstein und Herr Gerber, fanden, dass Lionel an die Regelschule wechseln sollte.
Lionel war fachlich sehr stark, konnte sich gut konzentrieren und hatte die Reintegration als Ziel.
Sie arbeiteten vor allem an überfachlichen Themen mit Lionel.
Das heisst, wie kann er auf andere Kinder zugehen. Wie kann er um Hilfe bitten, wenn er welche benötigt.
«Nach einem halben Jahr hat es geheissen, er ist zu gut. Sie wollen ihn in die Regelschule integrieren.»
Bereits nach einem halben Jahr im neuen Sonderschulheim 3 wurde die Reintegration geplant.
Lionel schnupperte in der 7. Klasse von den Sportferien bis zu den Frühlingsferien an der neuen Regelschule. In diesen 8 Wochen besuchte er die Regelschule- und die Sonderschule im Sonderschulheim 3.
«Ich musste eine Bewerbung schreiben. Also mehr ein Schreiben, in welchem ich mich vorstelle. Nachher hat es angefangen mit einem Tag Schnuppern pro Woche. Nachher zwei Tage. Nachher drei Tage. Nach etwa einem halben Jahr bin ich komplett dort in die Schule gegangen.»
Der Klassenlehrer der Sonderschule begleitete Lionel in den ersten Wochen an die Regelschule.
Herr Gerber konnte Lionel mit 14 Lektionen pro Woche begleiten.
Dies war möglich, da Lionel den Status eines Sonderschülers hatte und deswegen Unterstützung für ihn vorgesehen war.
Durch das Schnuppern in der Regelschule wurde Lionels Motivation noch grösser.
Die Schnuppertage an der Regelschule wurden immer mehr aufgestockt.
Die Begleitung des Klassenlehrers war irgendwann nicht mehr notwendig.
So wurde die Begleitung immer weniger.
«Wir konnten das wirklich selbst in Angriff nehmen. Es ging viel schneller. Und man konnte Schnuppereinsätze sehr spontan, einfach so von Schule zu Schule organisieren, ohne die Erziehungsberatung einzubeziehen. Es ist dann sehr schnell gegangen und war sehr unkompliziert.»
Vor den Frühlingsferien gab es ein Standortgespräch mit allen Beteiligten: Lionels Mutter, seinen Lehrpersonen der Regel- und Sonderschule sowie den Schulleitenden.
Es wurde entschieden, dass Lionel nach den Frühlingsferien nur noch die Regelschule besuchen sollte.
Lionel behielt aber den Sonderschulstatus.
So konnte ihm ein Platz in der Sonderschule im Sonderschulheim 3 bis zu den Herbstferien der 8. Klasse zugesichert werden.

Lionel wurde in eine kleine Klasse mit 9 Schüler*innen eingeteilt.
Die Lehrerinnen beantragten zu Beginn keine zusätzliche Unterstützung für Lionel.
Sie dachten: Lionel ist fachlich so stark, er braucht keine Unterstützung beim Lernen.
Zudem war Lionels Motivation sehr gross.
«Bei dir (meint Lionel) haben wir recht schnell entschieden: ‹Doch, das ist gut, das machen wir›. Aber wir haben auch gewusst, dass es fachlich kein Problem für ihn ist und dass man vor allem an der Sozialkompetenz arbeiten muss.»
In seiner Klasse mit den 9 Mitschüler*innen gibt es nur einen weiteren Jungen.
Das Klassenklima ist nicht gut: Die Mädchengruppe plagt Lionel oft.
Ab dem 9. Schuljahr wird deswegen mit einem Schulsozialarbeiter zusammengearbeitet.
Weil Lionel eine Sonderschulstatus hat, hätte er Unterstützung in Form von Lektionen des integrativen besonderen Volksschulangebots (bVSA int.) erhalten sollten.
Diese Lektionen sind Förderstunden, die für Sonderschüler*innen in der Regelschule sind.
Da aber der Sonderschulplatz und damit die Unterstützungslektionen bis im Herbst der 8. Klasse noch als separative Massnahme deklariert waren, erhielt Lionel lange Zeit keine zusätzliche Unterstützung.
Das heisst, die Lektionen des integrativen besonderen Volksschulangebots (bVSA int.) für seine Förderung blieben in der Sonderschule.
«Er hatte ja noch den Status ‹Sonderschüler› und deshalb sollte die Unterstützung auch mitfolgen, aber die ist irgendwie eine Weile im Sonderschulheim 3 geblieben.»
Die Regelschule konnte im 7. und 8. Schuljahr über das Grundangebot zusätzliche Lektionen sprechen.
Es gab 4-6 weitere Unterstützungslektionen in Lionels Klasse, sogenannte Lektionen der integrativen Förderung (IF).
Lionel war einverstanden, dass für die 9. Klasse zusätzlich 2 Lektionen des integrativen besonderen Volksschulangebots (bVSA int.) beantragt werden sollten.
In diesen beiden Lektionen sollte Lionel bei der Organisation seiner Schularbeiten unterstützt werden.
«Lionel hat sich sehr, sehr lange gegen die zusätzliche Unterstützung gewehrt, weil er das Gefühl gehabt hat, dass er das nicht brauche. Er bemühte sich so sehr […]. Er wollte auf gar keinen Fall, dass man ihn aus der Klasse rausnimmt und der dann Schulstoff verpasst […]. Das wollte er auf gar keinen Fall.»
Zum Gesprächszeitpunkt im Sommer 2023 hat Lionel das 8. Schuljahr erfolgreich abgeschlossen.
Lionel ist sehr gut in Mathematik.
Er wechselt den Status von der Real auf die Sekundarstufe.
Lionel wohnte wieder vollständig bei seiner Mutter.
Die Lehrstellensuche ist das grosse Thema im kommenden 9. Schuljahr.
Wie sieht die Situation jetzt aus?
Im 9. Schuljahr bekommt Lionel 1 Lektion zusätzliche Unterstützung, also 1 Lektion des integrativen besonderen Volksschulangebots (bVSA int.) pro Woche.
Lionel hatte weitere Fussoperationen und eine Bänderzerrung.
Er musste sechs Wochen einen Gips tragen.
Dadurch verzögerte sich die Lehrstellensuche.
Lionel hat nach wie vor sehr gute Noten, konnte aber aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht Schnuppern gehen.
Die Invalidenversicherung (IV) organisiert nun ein 10. Schuljahr für Lionel, damit er mehr Zeit gewinnt.
Aktuell muss noch eine entsprechende Schule gefunden werden, die von der IV übernommen oder dann von Frau Birrer finanziell gestemmt werden kann.
Zeitlicher Ablauf
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Vor der Einschulung
Heilpädagogische Früherziehung: Lionel bekam Unterstützung.
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Sprachheil-Kindergarten
Lionel wird in einer Sonderschule eingeschult.
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Kleinklasse in der Regelschule
Die Kleinklasse wird nach einem Jahr aufgelöst.
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Sonderschulheim1 mit Internat
Lionel wohnt im Internat und besucht dort die Sonderschule.
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Sonderschulheim2 mit Internat
Lionel wohnt im Internat und besucht dort die Sonderschule.
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Sonderschulheim3 mit Internat
Lionel wechselt das Sonderschulheim.
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Regelschule, Internat im Sonderschulheim 3
Umsetzung der Reintegration.
Lionel wird in 4-6 Lektionen der integrativen Förderung (IF) pro Woche unterstützt.
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Regelschule, Internat im Sonderschulheim 3
Weiterführung der Reintegration.
Lionel wird in 4-6 Lektionen der integrativen Förderung (IF) pro Woche unterstützt.
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Regelschule
Weiterführung der Reintegration. Lionel wohnt wieder zuhause.
Lionel wird in 4-6 Lektionen der integrativen Förderung (IF) unterstützt. Zusätzlich erhält er 1 Lektion des integrativen besonderen Volksschulangebots (bVSA int.).
Gelingensbedingungen und Barrieren
In den Gesprächen über die Reintegration von Lionel wurden Gelingensbedingungen und Barrieren gefunden. Diese sind in 5 Themen aufgeteilt.
Prozessgestaltung
Hier wird beschrieben, wie der Ablauf der Reintegration unterstützt werden kann.
Gelingensbedingungen
Was hat die Reintegration unterstützt?
- Ein offener, individualisierter Reintegrationsprozess, der auf Lionel abgestimmt war und durch die Lehrpersonen der Sonder- und Regelschule flexibel angepasst werden konnte, mit dem Ziel der Reintegration.
- Kein Druck auf die Reintegration, da der Platz in der Sonderschule bis im Herbst der 8. Klasse weiterhin zugesichert war.
- Die Sonder- und die Regelschule waren gemeinsam verantwortlich für die Gestaltung des Prozesses. Nicht die Erziehungsberatung (EB). So konnte die Reintegration unbürokratisch und unkompliziert ablaufen.
- Der stufenweise Einstieg in die Regelschule durch das Schnuppern über mehrere Wochen.
- Der Klassenlehrer der Sonderschule begleitete Lionel bei der Reintegration und unterstützte ihn.
- Die Lehrpersonen der Regelschule waren wichtige Kontaktpersonen für die Mutter.
- Die beiden schulischen Heilpädagog*innen der Sonderschule unterstützten die Regelschullehrpersonen bei der Reintegration.
- Lionel hätte gerne schon beim Schnuppern die Mitschüler*innen besser kennengelernt, z.B. mit einem Buddy- oder Götti-System.
Barrieren
Was hat die Reintegration erschwert?
- Der Zeitpunkt des Wechsels auf das 2. Semester der 7. Klasse war nicht ideal. Die Klasse kannte sich schon, die soziale Integration war schwierig für Lionel.
- Es gab mehrere Übergänge im Bereich der Schule und des Wohnens zur gleichen Zeit. Das war herausfordernd für Lionel.
- Die 7. Klasse über Lionels Sonderschulstatus zu informieren, war nicht unterstützend für seine soziale Integration (in Lionels Augen).
- Die Lehrpersonen der Regelschule hatten zu wenige Informationen über Lionels Situation und Diagnose.
- Das Beantragen von Lektionen des integrativen besonderen Volksschulangebots (bVSA int.) für Lionel war zeitlich und bürokratisch aufwändig für die Lehrpersonen der Regelschule.
- Lionel fehlte in der 7. Klasse eine unterstützende Ansprechperson, die ihm bei Konflikten mit den Mitschüler*innen half.
- Der Mutter fehlte eine Ansprechperson in der Sonderschule. Informationen zu erhalten war schwierig.
Rahmenbedingungen
Hier wird beschrieben, was es in der Schule braucht, um die Reintegration zu unterstützen.
Gelingensbedingungen
Was hat die Reintegration unterstützt?
- Es waren personelle Ressourcen zur Begleitung des Reintegrationsprozesses auch während dem Wechsel selbst vorhanden, weil Lionel einen Sonderschulstatus hatte. Sein Sonderschullehrer konnte ihn begleiten.
- Es gab personelle Unterstützung im Unterricht in der Regelschule über das Grundangebot der Gemeinde. So konnte der IF-Lehrer 4-6 Wochen-Lektionen in Lionels Klasse arbeiten.
- Lionel kam in eine ruhige, gut funktionierende Klasse mit nur 9 Schüler*innen, sagten die Lehrpersonen der Regelschule.
Barrieren
Was hat die Reintegration erschwert?
- Es gab keine Ressourcen des integrativen besonderen Volksschulangebots (bVSA int.) bei der Reintegration. Das heisst, keine zusätzlichen Lektionen für Lionels Förderung.
- Es gab keine Ressourcen für eine*n Sozialpädagog*in im 8. Schuljahr, um mit der gesamten Klasse am Sozialverhalten zu arbeiten.
- Der Klassenzusammenhalt in der Regelschule war schwächer, die Konkurrenz grösser, so Lionel.
- Die Mitschüler*innen kannten Lionels Familiengeschichte. Einzelne Eltern von Mitschüler*innen reagierten negativ und abwertend auf Lionels Reintegration.
- Die Anzahl Sonderschüler*innen in einer Klasse kann zur Barriere werden. Lionel musste in eine Klasse eingeteilt werden, ohne andere Sonderschüler*innen.
- Die fehlende Ausbildung des IF-Lehrers: Es war lange nicht klar, wer zuständig war für die Beantragung von zusätzlichen Lektionen des integrativen besonderen Volksschulangebots (bVSA int.) für Lionels Förderung.
Familiale Ressourcen
Hier wird beschrieben, inwiefern die Familie die Reintegration unterstützen kann.
Gelingensbedingungen
Was hat die Reintegration unterstützt?
- Lionels Mutter unterstützte Lionels Reintegration: Sie blieb hartnäckig, fragte nach und setzte viel Energie und Zeit ein. Sie informierte sich z.B. selbst über Sonderschulen, die die Reintegration unterstützen.
- Lionels fachliche Kompetenzen, seine hohe Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Auch sein Wille, seine hohe Motivation und sein Wunsch, die Regelschule zu besuchen, trugen zum Gelingen bei, so die Lehrkräfte der Regelschule und der Sonderschule.
- Lionel machte grosse Fortschritte im Sozialverhalten in der Sonderschule. Das war wichtig für seine Reintegration.
- Lionel wurde mit seinen Zielen und Wünschen ernstgenommen. Der Fokus lag auf seinen Potenzialen, nicht auf der Diagnose.
- Die Lehrerinnen der Regelschule unterstützten und förderten Lionel. Sie sind beeindruckt von seiner Motivation.
- Lionels brauchte fachlich wenig Unterstützung. Das trug zur Reintegration bei, sagten die Lehrkräfte der Regelschule.
Barrieren
Was hat die Reintegration erschwert?
- Lionels Mutter ist alleinerziehend. Sie setzt sich als Elternteil allein für die Reintegration ein. Sie hat begrenzte Ressourcen. Zudem stösst sie bei ihrem Arbeitgeber auf wenig Verständnis für die Lebenssituation der Familie.
- Lionel wird in der Sonderschule fachlich zu wenig herausgefordert und gefördert.
- Lionel fand die Begleitung des Sonderschullehrers beim Schnuppern nicht nur gut: Er fiel dadurch auf, was Lionel möglichst vermeiden wollte. Die Anwesenheit des Klassenlehrers der Sonderschule erschwerte die soziale Integration.
- Das Schnuppern dauerte mit 8 Wochen lange. Lionel wäre lieber schneller nur noch in der Regelschule gewesen.
- Der Unterricht von der Sonderschule und der Regelschule hatte in der Übergangszeit nichts miteinander zu tun. Gut wäre gewesen, wenn Lionel auch an den Inhalten der Regelschule in der Sonderschule hätte arbeiten können. Dies hätte ihm den Übergang erleichtert.
Zusammenarbeit
Hier wird beschrieben, wie die Zusammenarbeit die Reintegration unterstützen kann.
Gelingensbedingungen
Was hat die Reintegration unterstützt?
- Der wöchentliche Austausch innerhalb der Regelschule zwischen den Klassenlehrerinnen und dem IF-Lehrer, teils auch der Schulleitung war hilfreich. Es ist eine kleine Schule, der Austausch war einfach zu organisieren.
- Die Lehrerinnen in der Regelschule teilten sich die Klassenverantwortung.
- Die Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen der Regelschule und Lionels Mutter war gut: Sie tauschten sich regelmässig aus, gaben wichtige Informationen weiter, die Mutter fühlte sich ernst genommen.
- Die Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen der Sonderschule, dem Wohnheim und Lionels Mutter funktionierte gut: Lionel wurde auf allen Ebenen gestärkt und so gut auf die Reintegration vorbereitet.
- Alle Beteiligten konnten gut zusammenarbeiten für Lionels Reintegration: Seine Familie, die Wohngruppe, die Sonder- und Regelschule, die Beiständin und die Sozialarbeiterin der IV. So erhielten die Lehrpersonen der Regelschule auch ein umfassendes Bild von Lionels Situation. Die Familie sollte unterstützt werden.
Barrieren
Was hat die Reintegration erschwert?
- Lionels Mutter wurde erst spät über Lionels Reintegration informiert. Hier hätten die Sonderschule und die Regelschule die Mutter stärker einbeziehen können.
- Die Zusammenarbeit zwischen dem Schulleiter der Regelschule und dem Schulleiter, der für das integrative besondere Volksschulangebot (bVSA int.) zuständig ist, fehlte. Dies führte dazu, dass erst für die 9. Klasse zusätzliche Lektionen des integrativen besonderen Volksschulangebot (bVSA int.) beantragt wurden.
Haltung
Hier wird beschrieben, wie Einstellungen und das Handeln danach die Reintegration unterstützen können.
Gelingensbedingungen
Was hat die Reintegration unterstützt?
- Die Haltung, Offenheit und Bereitschaft der Lehrpersonen der Regelschule, sich auf den Reintegrationsprozess einzulassen.
- Der Reintegrationsprozess wurde durch die Lehrpersonen der Regelschule nicht angezweifelt. Es war klar: Wir machen das.
- Der Blick auf Lionels Fähigkeiten und seine Ressourcen. Die Lehrerinnen der Regelschule freuten sich auf Lionel. Sie und die anderen Lehrpersonen hiessen ihn willkommen.
Barrieren
Was hat die Reintegration erschwert?
Dazu wurde nichts erzählt.